Geburtsschmerzen

Wie weh tun Wehen?

Wehen gehören zu Schwangerschaft und Geburt unweigerlich dazu. Aber gerade Erstgebärende fragen sich: Wie fühlen sich Übungswehen, Senkwehen, Eröffnungswehen und Presswehen genau an? Und wie weh tun Wehen wirklich?

Autor: Gabriele Möller

Wehen, Senkwehen und Schmerzen

Wehen bei der Geburt
Foto: © iStock, gorodenkoff

Je weiter eine Schwangerschaft vorrückt, desto öfter denkt man über sie nach: Die Wehen. Man fragt sich: Wie fühlen sich die Wehen an? Wie schmerzhaft sind sie? Wie Regelschmerzen? Oder doch eher wie Darmkrämpfe? Oder vielleicht ganz anders? Dann gibt es ja auch noch die Übungswehen, die man schon in der Schwangerschaft bekommt, und Senkwehen gegen Ende der neun Monate. Ist es eigentlich auch schon eine Wehe, wenn der Bauch mal hart wird? Wie viele solcher Kontraktionen darf man haben? Genug Fragen für urbia, um die Wehe an sich einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Außerdem berichten Mütter, wie sich ihre Wehen angefühlt haben, und wie sie mit dem Schmerz umgegangen sind.

Erste Wehen: Übungswehen, die nicht jede spürt

Die Gebärmutter ist nicht nur die warme Herberge für das ungeborene Kind. Sie ist zugleich ein dicker und zäher Muskel. Zieht dieser sich zusammen, nennt man das eine Wehe – sofern das in der Schwangerschaft oder bei der Geburt geschieht. „In der Schwangerschaft haben Frauen meist schon etwa ab der 20. bis 25. Woche Übungswehen“, erläutert Hebamme Judith Kulesza aus Düsseldorf. „Sehr empfindsame Frauen spüren sie schon ab der Schwangerschaftsmitte, manche erst später oder gar nicht.“ Mit Übungswehen trainiert die Gebärmutter bereits für die Geburt. Diese Wehen, die im Fachjargon Braxton-Hicks-Kontraktionen heißen dauern etwa eine halbe bis eine Minute. Im Volksmund werden sie auch „wilde Wehen“ genannt.

Eine Übungswehe kann sich ganz unterschiedlich äußern. „Bei mir wurde nur ab und zu der Bauch plötzlich sehr fest: Ich hätte das gar nicht als Wehe bezeichnet, weil ich keinen Schmerz gespürt habe“, erzählt Sonja (40), Mutter von zwei Kindern. Bei anderen Frauen äußern sich Übungswehen in einem leichten Bauchziehen, das auch in den Rücken ausstrahlen kann, ähnlich den Regelschmerzen. Und wieder andere bemerken sie überhaupt nicht.

Spürbare Übungswehen sollte man nicht mehr als fünf Mal pro Tag haben. Kommen sie öfter, ist sicherheitshalber ein Check beim Arzt angesagt. Er kontrolliert, ob die Wehen „muttermundwirksam“ sind, also zu einer Verkürzung des Gebärmutterhalses führen. Übungswehen zeichnet aus, dass sie keine Auswirkungen auf diesen „Verschluss“ der Gebärmutter haben. Oft reicht es bei zu häufigen Übungswehen, wenn der Arzt Magnesium verschreibt, um die Gebärmuttermuskulatur zu entspannen. Die Anzahl der Übungswehen darf im Verlauf der Schwangerschaft langsam zunehmen.

Warnsignal vorzeitige Wehen

Sind Schwangerschaftswehen zu häufig oder zu kräftig, besteht die Gefahr, dass sie den Gebärmutterhals vorzeitig verkürzen. Dieser ist je nach Schwangerschaftswoche zwischen fünf und drei Zentimetern lang. Solche vorzeitigen oder auch Frühwehen müssen ernst genommen werden, weil sie eine Frühgeburt auslösen können. Hier erteilt der Arzt oft ein Beschäftigungsverbot, verordnet Schonung oder Bettruhe. Manchmal ist ein Klinikaufenthalt nötig. Frühwehen sind oft ein Ausdruck von Überlastung und ein Warnsignal, mit dem der Körper sagt: ‚Stop! Bis hier und nicht weiter!’ Nicht nur Berufstätigkeit, sondern auch Haushalt oder das Tragen älterer Kinder sind nun tabu. Je nach Familiensituation hat man Anspruch auf eine Haushaltshilfe. Wenn eine Frau sich jetzt konsequent schont, kann sich die vorzeitige Wehentätigkeit wieder beruhigen.

Senkwehen: Der Countdown läuft

Ab der 35. Woche können die ersten Senkwehen auftreten, bei denen das Baby mit Macht nach unten ins Becken gedrückt wird. Das Kind nimmt so seine „Startposition“ für die Geburt ein. Äußerlich erkennt man dies daran, dass der Bauch ein gutes Stück tiefer rutscht als vorher, und dass man wieder etwas mehr Luft zu Atmen hat. Typisch für diese Phase ist auch ein zunehmender Druck auf die Blase. „Die Senkwehen treten vier bis zwei Wochen vor der Geburt auf“, so Kulesza. Viele Frauen bemerken die Senkwehen kaum oder können sie nicht von Übungswehen unterscheiden. Denn etwa ab der 36. Woche reagiert die Gebärmutter sowieso zunehmend empfindlicher auf äußere Reize. „Vor allem Anstrengungen wie Treppensteigen, aber auch Geschlechtsverkehr lösen jetzt leicht mal eine Wehe aus, was aber in Ordnung ist“, erläutert Judith Kulesza. Auch Sonja erkannte die Senkwehen erst rückblickend am tiefer liegenden Bauch. „Der Prozess des Senkens selbst war völlig schmerzfrei, den habe ich gar nicht gespürt“. Anja (38) ging es vor ihren zwei Entbindungen ähnlich: „Ich habe nur jeweils einige Wochen vor der Geburt ein Hartwerden des Bauches bemerkt. Das hätte ich eigentlich nicht als Wehen eingestuft. Denn darunter hatte ich mir immer etwas Schmerzhaftes vorgestellt.“ Bei manchen Frauen ziepen die Senkwehen dagegen schon recht heftig: „Bei mir ging es einige Wochen vor der Geburt damit los, dass der Bauch ab und zu hart wurde und ich ein Ziehen ins Becken hinein hatte, berichtet Jeannette (37), Mutter von drei Kindern.

Ob als Senkwehen erkannt oder nicht – die nun häufiger werdenden Wehen kann frau prima dazu nutzen, im Vorbereitungskurs Gelerntes zu üben. Dazu gehört vor allem das „Veratmen“ der Wehe, bei dem man versucht, sich im Bauch und Becken locker und weich zu machen und sanft bis in den unteren Bauch hinein zu atmen.

Eröffnungswehen: Bahn frei fürs Baby!

Möchte das Baby sich endlich persönlich in der Welt umschauen, beginnen die Wehen der Eröffnungsphase. Eröffnungswehen sind die echten Geburtswehen, die den Muttermund schrittweise öffnen. Eine Wehe dauert etwa eine bis anderthalb Minuten. Wenn sich die Schwangere dem Termin nähert, sind Wehen aber oft schwer zu deuten. Sind das noch Übungswehen oder schon echte Wehen? Ob es bald losgeht oder Wehen noch falscher Alarm sind, dafür gibt es Hinweise:

  • Echte Wehen kommen regelmäßig. Sind die Pausen dazwischen bei 20 Minuten oder weniger, macht sich das Baby allmählich auf den Weg.
  • Sind die Wehen noch unregelmäßig, fühlen sich aber irgendwo dennoch schon anders an als an den Tagen davor (oder treten sogar erstmals spürbar auf), gibt ein warmes Wannenbad Aufschluss: Echte Wehen werden stärker, Übungswehen beruhigen sich.
  • Auch eine leichte Blutung (bräunlich oder rötlich) heißt oft, dass es jetzt bald losgeht. Hebammen sagen dazu, das Baby „zeichnet“.
  • Ob mit oder ohne Wehen: Platzt die Fruchtblase, sollte man sich unverzüglich auf den Weg in die Klinik machen bzw. der eigenen Hebamme Bescheid geben.

Wann aber sollte man in die Klinik/ins Geburtshaus fahren, wenn klar ist, dass echte Wehen eingesetzt haben? Wer zu früh in eine Klinik kommt, wird nicht selten wieder nach Hause geschickt. „Es macht nicht viel Sinn, hier feste Zahlen zu nennen. Also zum Beispiel zu sagen, wenn die Wehen alle fünf Minuten kommen, sollte man losfahren“, betont Fachfrau Judith Kulesza. „Man sollte fahren, wenn man das Gefühl hat, dass man mit diesen Wehen nicht mehr zu Hause sein will. Frauen spüren intuitiv, wann das der Fall ist.“ Und auch die Hebamme hat dafür Anhaltspunkte: „Wenn ich mit einer Schwangeren telefoniere und diese sich noch locker mit mir unterhalten kann, ist es zu früh für die Klinik. Wenn sie aber nicht mehr sprechen möchte, sondern nur noch seufzt und die Wehen veratmet, dann sage ich, nimm Deine Tasche und fahr’ mit Deinem Partner los!“

Wann ist der richtige Zeitpunkt, um in die Klinik zu fahren?

Wie fühlen sich die ersten Geburtswehen an?

„Die erste Wehe kam ganz plötzlich und ohne Vorwarnung, als ich abends im Bett gerade eingeschlafen war“, erzählt Sonja. „Sie war schon so kräftig, dass ich mich gekrümmt habe. Ich war total überrascht, denn ich hatte immer gedacht, die Wehen fingen langsam an, so wie eine Art vorsichtiges Anklopfen. Die Hebamme aus dem Geburtsvorbereitungskurs hatte gesagt, man könne jetzt noch in Ruhe essen oder spazieren gehen, aber daran war bei mir nicht zu denken. Einige Stunden später sind wir dann in die Klinik gefahren, weil die Wehen schon sehr regelmäßig und in kurzen Abständen kamen“. Meist jedoch fangen die Wehen nicht so plötzlich an: „Ich hatte zuerst ganz leichte Wehen“, berichtet Annegret (43), Mutter von zwei Jungen, die beide Kinder im Geburtshaus entbunden hat. „Bei meinen Entbindungen ging es immer ganz allmählich los. Beim ersten Kind war das morgens. Ich konnte die Wehen den ganzen Tag über ganz gut aushalten und bin auch noch spazieren gegangen. Ich habe später dann meine Hebamme angerufen und sollte nach ihrer Anleitung ins Telefon atmen. Erst gegen 23 Uhr abends trafen wir dann im Geburtshaus zusammen.“ Wie sich die Wehen anfühlten? „Sie waren ähnlich wie sehr starke Regelschmerzen“. Bei Jeannette waren die Wehen zwar anfangs ebenfalls nicht sehr schmerzhaft, kamen dafür aber rasch in kurzen Abständen und regelmäßig. „Ich hatte bei allen drei Kindern von Anfang an sehr häufige Wehen, sie kamen schnell alle fünf bis sieben Minuten“ erzählt sie. Und Anja weiß noch: „Bei mir begannen die Geburtswehen seltsamerweise im Rücken, ähnlich wie Regelschmerzen. Sie stiegen dann in der Häufigkeit langsam an.“ Als Hinweis, wie stark die Wehen dieser Phase empfunden werden: Die genannten Frauen schätzten die Wehen der Eröffnungsphase auf einer Skala von 1 bis 10 (= sehr starker Schmerz) meist um den Wert 7 ein.

Was hilft beim Wehenschmerz?

Weniger bekannt als die Eröffnungs- oder auch die späteren Presswehen, sind die Wehen der Übergangsphase. Sie markieren das Ende der Eröffnungsphase, denn jetzt ist der Muttermund komplett offen. Dieser Ausgang der Gebärmutter liegt im oberen Beckeneingang. Nun macht sich das Baby auf den etwa zehn Zentimeter langen Weg durch den Geburtskanal, der hinunter zum Beckenboden und zum Scheidenausgang führt. „Das ist eigentlich der schwierigste Teil der Geburt“, erklärt Judith Kulesza, „denn jetzt sind die Schmerzen am stärksten, die Wehenpausen am kürzesten.“ Dafür geht es jetzt aber auch richtig voran. „Wenn eine Frau nun flucht und ruft: ‚Also, mir reicht’s, ich will nach Hause, macht ohne mich weiter!“, dann weiß man als Hebamme, sie hat es bald geschafft“, lächelt sie.

Welche Möglichkeiten der Schmerzlinderung gibt es bei einer Geburt?

Presswehen: Mit Hochdruck auf die Welt

Statt des landläufigen Begriffs Presswehen benutzen Geburtshelfer das Wort Austreibungsphase. Nun hat das Kind sich bis zum Beckenboden vorgearbeitet und muss nur noch den Durchtritt durch den Scheidenausgang schaffen. Meist reichen hierfür zwei bis sechs sehr starke Wehen, bei denen die Frau den unwiderstehlichen Drang verspürt mitzupressen. War bisher eine Haltung des Geschehenlassens hilfreich, ist jetzt aktives Mitmachen gefragt: Mitpressen erhöht den Druck noch einmal um das vier- bis fünffache und hilft dem Kind, die letzte Engstelle zu passieren. Manchmal reißt jetzt das Gewebe, das Scheide und Darmausgang trennt („Damm“), ein oder wird vorbeugend geschnitten. Diese letzte Phase der Geburt wird von vielen Frauen wie eine Art Naturgewalt empfunden: „Bei den letzten Wehen hat es sich immer angefühlt, als ob mir die Hüften innerlich auseinandergebogen würden, es tat rundherum weh, nicht nur im Bauch, sondern auch am Steißbein, einfach im ganzen Becken“ berichtet Jeannette. „Der Drang zu pressen fühlt sich so an, als ob man plötzlich extrem dringend zur Toilette müsste, um den Darm zu entleeren“, erklärt Annegret das Gefühl. Und Anja, die ihre zwei Kinder mit Hebammenhilfe in der heimischen Badewanne geboren hat, erzählt: „Vor allem mein Sohn war ja recht groß. Am Schluss hat es sich so angefühlt, als ob da ein kleiner Bagger mit aller Kraft aus mir herauswollte“.

Den Wehenschmerz in der Endphase der Geburt beschreiben die befragten Frauen auf der Schmerzskala mit Werten zwischen 7 und 9. Was einer Frau unter den Wehen hilft, dafür gibt es kein Einheits-Rezept. „Ich fand es beim ersten Kind sehr angenehm, auf dem Gymnastikball hin und her zu schaukeln. Dadurch wurde alles etwas gedehnt, was mir wirklich geholfen hat“, berichtet Jeannette. „Und bei meinem jüngsten Sohn habe ich zwischendurch recht lange in der Hocke gesessen, was ebenfalls angenehm war“, erinnert sie sich. Anja erzählt: „Ich habe mich vor allem zwischen den Wehen erholt. Diese Pausen fand ich extrem erleichternd. Da konnte man sich wirklich regenerieren“. Den Schmerz selbst habe sie mit diesem Bild zu verarbeiten versucht: ‚Ich öffne mich mit jeder Wehe wie eine Blume und lasse los’. „Den Tipp hatte ich von meiner Hebamme. Ein weiterer Tipp kam vom Yoga: Das Wegsingen des Schmerzes. Es half, die Luft nicht ins Leere abzulenken, sondern in die Stimme.“ Und Annegret fand eine ganz eigene Methode, die Schmerzen zu verarbeiten: „Ich habe über lange Phasen hinweg langsam den Kopf geschüttelt. Das hat mir sehr geholfen, vielleicht werden dabei Endorphine freigesetzt. Erholung gab mir auch immer wieder ein kurzer Sekundenschlaf zwischen den Wehen.“ Das Wesentliche sei für sie gewesen, einfach auf ihren Körper zu hören und ihr Kontrollbedürfnis aufzugeben. „Man merkt dann, was einem gut tut.“ Letzteres ist auch für Hebamme Kulesza das A und O: „Jede Frau kann mit Hilfe ihrer Intuition gebären, wenn man sie lässt – von einigen medizinischen Ausnahmen abgesehen.“

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Kleine Nachbeben: die Nachwehen

Ist das Kind glücklich geboren, fehlt nur noch die Plazenta (Mutterkuchen), die ebenfalls noch aus der Gebärmutter heraus muss. Dafür sind die Nachwehen zuständig, von denen viele Mütter aber kaum etwas mitbekommen. Nachwehen fühlen sich an wie starke Regelschmerzen und dauern oft nur zehn bis 15 Minuten. Durch die Nachwehen zieht sich auch nach dem Ausstoß der Plazenta die Gebärmutter noch weiter zusammen, und die Blutung an der Stelle, wo sich der Mutterkuchen abgelöst hat, wird gebremst. Nachwehen hat man auch noch an den Tagen nach der Geburt. Vor allem das Stillen regt die Bildung des Hormons Oxytocin an, das einerseits für die Milchbildung wichtig ist, und andererseits die Rückbildung der Gebärmutter fördert. Dies beugt nicht nur Nachblutungen vor, sondern ist auch ein natürlicher Schutz vor Entzündungen des Uterus.