Nötigung zum Integrationsstatus

Liebe Kita-Eltern,
nachdem unser Sohn zwei Jahre eine Berliner Kita (mit Waldtagen und Kneipp-Orientierung) besuchte, die durch hohen Personal- und Praktikantenwechsel einen immer schlechter werdenden Eindruck vermittelte, sind wir im Mai 2016 zu einem nicht näher benannten Elterngespräch eingeladen worden. Die Bezugserzieherin - eine im Schnellkurs vom Abeitsamt zur Erzieherin umgeschulte Köchin - legte uns ein Schriftstück vor, dass wir sofort unterschreiben sollten. Wir konnten während des Gespräches nur kurz draufschauen und vermuteten, dass ein Entwicklungsbericht so etwas wie eine erste Einschätzung unseres damals Vierjährigen sein sollte. Auf unser Bitten durften wir das Schriftstück am Wochenende mit nach Hause nehmen und waren entsetzt, es wimmelte vor Grammatik- und Rechtschreibfehlern, es konnte kein klares Förderziel benannt werden, auf die Schwerbeschädigung des Vaters (Hörbehinderung mit anderem medizinischem Hintergrund als beim Kind) als Spezifik der Familiensituation und des erschwerten Spracherwerbs für ein Kind war überhaupt nicht eingegangen worden. Im sogenannten Entwicklungsbericht wurde u.a. das morgentliche Grüßverhalten unseres damals vierjährigen Sohnes bemängelt und die Ausgrenzung durch ältere, redegewandte Kinder beschrieben, angeblich würden ihn auch alle Erzieher nicht verstehen können. Richtig ist, dass unser Sohn aufgrund langwieriger Mittelohrentzündungen und vernarbter Trommelfelle mit dem Spracherwerb etwas zurücklag, aber in den zwei Jahren vor dem Kitabesuch prima von seiner Tagesmutter, anderen Eltern und Kindern verstanden wurde. Wir sind seit 1 1/2 Jahren bei einem speziellen Kinder-HNO in Behandlung und er versicherte uns noch im April, dass unser Sohn den Spracherwerb in absehbarer Zeit nachholen wird, nur vielleicht erst mit 7 eingeschult werden sollte. Damit haben wir kein Problem, nur die Kita sprang auf diese Erkenntnisse gern auf und nahm dies zum Anlass flugs einen Integrationsstatus zu konstruieren. Zumal die frisch ausgebildete Integrationserzieherin nun auch schnell ein Integrationskind zum Üben brauchte, nachdem schon zwei potentielle Integrationskinder mit Migrationshintergrund abgemeldet worden waren. Auf einmal war angeblich auch die Malentwicklung unseres Kindes nicht im grünen Bereich, unserem Sohn wurde ein krankhaftes Gangbild bescheinigt obwohl er wöchentlich einen zusätzlichen Kitasport-Kurs besucht und weiterer Unsinn formuliert. In Vorbereitung auf ein Gespräch mit der Kitaleiterin und Bezugs- sowie frisch ausgebildeten "Integrationserzieherin" wurde der sogenannte Entwicklungsbericht von uns mit zahlreichen Fragekatalogen versehen, auf die mit keiner Silbe mehr eingegangen worden ist. Ebensowenig konnte zum Inhalt der zusätzlichen Förderung, zur Kitakonzeption (Situationsansatz - im Internet leicht zu finden) und zum Umgang mit sprachverzögerten Kindern in der Kitakonzeption sowie zur Vorschulkonzeption gesagt werden. Im Gegensatz dazu mussten wir uns lang und breit dafür entschuldigen, dass wir die schlechten Deutschkenntnisse der Bezugserzieherin (die ja nun im Entwicklungsbericht leider schwarz auf weiß vorlagen) kritisiert haben. Fremdschämen war die einzige Idee, die der Leiterin auf unsere sachlichen Fragen zum Entwicklungsbericht und zur Kitakonzeption einfiel. Auf einmal versuchte man an uns als Eltern herum zu kritteln, wir sind berufstätig und wurden als Spätabholer-Eltern tituliert, die Erzieher wollen schließlich auch zu ihren Kindern etc. Die Kitaleiterin (eine Sozialpädagogin) schrieb den sogenannten Entwicklungsbericht dann noch einmal etwas um, mit etwas weniger Rechtschreib- und Grammatik-Fehlern. Nach der U9 im September bekamen wir dann 10 Stunden Logopädie verordnet, die ergaben, dass unser Sohn einen altersgerechten Wortschatz hat, Satzbau und Grammatik sind auch in Ordnung. Allerdings ist er durch die etwa ein Jahr andauernde, fehlende Ansprache in der Kita immer mehr verstummt und hat nur noch still vor sich hin gespielt. Einige ältere, sprachgewandtere Kinder haben ihn gern gehänselt und die Erzieher konnten offenbar nichts gegen die Ausgrenzung tun, da sie wohl immer anders beschäftigt waren. Jedenfalls haben wir uns dann intensiv nach einer neuen Kita umgeschaut und konnten nach monatelangem, kräftezehrenden Theater mit dem Kita-Träger, der uns dann auch nicht aus dem Vertrag entlassen wollte, im November endlich neu starten. Unser Sohn hat sich ganz schnell in der neuen Kita eingelebt und auch Freunde gefunden, die Kitaleiterin sieht keinen erhöhten Förderbedarf, die Logopädin auch nicht. Deshalb können wir Eltern nur raten, sich genau anzuschauen, ob die Kita tatsächlich im Interesse des Kindes einen Integrationsstatus anstrebt oder einfach nur ihre Mittel aufstocken will, um personelle Engpässe auszugleichen. In unserem Fall ging es nur um eine Verbesserung der finanziellen Situation des Trägers und nicht um die Förderung unseres Kindes. Die Vorbedingungen für die Beantragung eines Integrationsstatus sind für eine Kita sehr leicht zu konstruieren, irgendwelche Entwicklungsauffälligkeiten gibt es immer, wenn man danach sucht. Wir sind als Eltern monatelang genötigt worden einen Integrationsstatus zu befürworten und sollten noch bis zum letzten Tag unterschreiben, dass wir nicht an einer zusätzlichen Förderung im Rahmen eines Integrations-Statusses unseres Sohnes interessiert sind. Das haben wir natürlich ebensowenig getan, wie einen unsachgemäßen Entwicklungsbericht zu unterschreiben. Wir haben nur alle Kräfte mobilisiert, um einen neuen Platz für unser Kind zu finden. Das war die beste Entscheidung, die wir für ihn treffen konnten. Glücklicherweise gibt es in Berlin eine Kitaaufsicht und auch ein Beschwerdemanagement des Senats, die sich solcher Fälle der Nötigung von Eltern zum Integrationsstatus für ihr Kind annehmen.

2

Einen Text ohne Absätze lesen zu müssen, ist echt anstrengend.

Man verrutscht währneddessen in den Zeilen und bekommt Augenschmerzen. Das kann man sich echt nicht antun.

7

Danke für Deinen Hinweis, bei künftigen Veröffentlichungen werde ich mehr gliedern. Da die Nötigung zu einem I-Status leider keine Ausnahmeerscheinung in Berlin ist, wie u.a. eine Umfrage bei verschiedenen SPZ in Berlin ergab, plane ich mich weiter dem Thema zu widmen.

1

....interessant.....

3

Wenn du erwartest, dass dein Text von jemandem gelesen werden soll, muss er aber auch eine andere Gliederung haben. Das wae eine Zumutung.

Ich kann mir kaum vorstellen, dass das Beantragen so unterschiedlich gehandhabt wird. Es kann kein Kindergarten kommen und sich einen I-Status ausdenken. Dies entscheidet such nicht der Kiga. Es kann als eine Maßnahme des Sozialamtes lauten und wenn es über Sozialamt läuft, ist auch das Sozialamt der Kostenträger.

Das Sozialamt beauftragt dann das Geunsdheitsamt, das das entsprechende Gutachten dazu schreibt. Da spielt es keine Rolle, ob ein Kiga etwas haben will oder nicht. Es ist aber selbstveretändlich, dass ab einem bestimmten Punkt der Kiga für seine Mehrleistungen auch mehr Geld sehen will.

Wir waren nicht dabei. Ich kenne Not des Kindergartens und kenne genug Kinder und Eltern, denen ich dann sage, dass sie einfach ruhig zum Arzt müssen, um sich entsprechende Bescheinigung zu holen. Als Alternative kann man natürlich den Eltern anbieten, dass sie entsprechenden Antrag stellen, der dann geprüft wird.

Eine unschöne Sache, die mir auch begegnet, sind Eltern, die den tatsächlichen Bedarf leugnen und da bewegen wir uns bereits bei einer Kindeswohlgefährdung.

Wir waren nicht dabei. Ich erlebe oft, dass aber die tatsächliche Wahrheit in der Mitte ist.

#winke

9

Danke für Deinen Hinweis, ich werde die Texte künftig besser gliedern. Die Abläufe der Beantragung sind uns schon klar. Unverständlich bleibt uns allerdings, wie unprofessionell eine Kita agieren kann, es gibt ja leider auch keine verbindlichen Standards in Berlin. Nachdem man ein Kind sprachlich und maltechnisch als nicht ganz normgerecht entwickelt eingeordnet hat (auf Grundlage welcher Entwicklunstabelle man zu diesem Schluss kam, konnte ebenfalls nicht gesagt werden), kommt das Zaubermittel I-Status. Was aber im Rahmen dieses I-Status dann tatsächlich stattfindet, dazu konnten weder die Kitaleiterin noch die Integrationserzieherin etwas sagen. Es gibt kein Konzept zur Förderung entwicklungsverzögerter Kinder, auch keine Ideen dazu. In keinem Bereich kann man einfach 0,25 Stellen mehr beantragen ohne einen Satz darüber zu verlieren, was in der zusätzlichen Zeit denn nun stattfinden soll. Das lädt ja Kitas geradezu dazu ein, Kinder mit einem I-Status zu versehen, um allgemeine Personalengpässe - die es ja durchaus gibt - elegant abzudecken. Wir sind entsetzt, dass Kitas so übergriffig agieren können, schließlich blieb uns als Eltern nichts anderes als der Kitawechsel übrig. Wie gesagt, wir sind zu allen Arztterminen etc. gegangen, die Logopädin stellte nach den verordneten 10h fest, dass unser Kind lediglich ein emotionales Problem hat, weshalb es nicht spricht. In unserem Fall fand die Kindswohlgefährdung in der Kita statt, deshalb haben wir auch gewechselt. Sicher ist jeder Fall anders. Aber wir haben erlebt, wie das von der Politik sicher gut gemeinte Instrument eines Integrationsstatusses sich bei schlechten Voraussetzungen in der Kita durchaus in das Gegenteil verkehrt.

4

>>...es wimmelte vor Grammatik- und Rechtschreibfehlern,...<<
Schreibst jemand, der keine Satzzeichen kennt #rofl

8

Oh schreibst klingt auch hübsch! Hattest Du inhaltlich noch etwas anzumerken, wir haben unsere Erfahrungen zwecks Meinungsaustausch in das Forum gestellt, vielen Dank für Deine Mühe.

5

Und du glaubst tatsächlich, dass das Sozialamt nicht vorher noch dein Kind von einer dritten Stelle, nämlich dem Gesundheitsamt, überprüfen lässt? Sorry, aber entweder dein Kind hat einen deutlichen Mehraufwand und dann ist der I-Status gerechtfertigt (dabei geht es keinesfalls um irgendwelche spezielle Förderung, sondern um den Mehraufwand) oder das ist eben nicht der Fall, dann wird der Antrag eben abgelehnt. Die VORbedingungen mögen ja im Antrag leicht aufzuschreiben sein, aber das gesamte Verfahren durchzustehen, ist eine ganz andere Nummer. Das Gesundheitsamt will schon ein paar Facharztberichte und einen Bericht des SPZ/KJP (mit Befürwortung des I-Platzes) sehen.
Es ist völlig unerheblich, wann und ob dein Kind seine Sprachentwicklungsverzögerung je aufholt und weswegen er schlecht hört.

Die Frage, die du dir stellen musst, ist die ob dein Kind tatsächlich in der Lage ist, als eines von 25(?) Regelkindern in der Kita zu funktionieren und ob er da alles mitmachen kann und alles mitbekommt, ohne dass ihm da ständig jemand etwas lauter, langsamer,... sagen muss oder ohne dass er jemanden als "Dolmetscher" benötigt, weil vielleicht die Kinder ihn nicht verstehen.
Mein Ältester hatte damals nur mit der "Diagnose" Sprachentwicklungsverzögerung einen I-Platz. Irgendwann kamen noch deutlich gravierendere Behinderungen dazu. Die Sprachentwicklungsverzögerung von damals ist heute eine Sprachentwicklungsstörung, verstärkt durch AVWS und daraus folgt eine massive LRS. Er ist heute 10 Jahre. Seit seinem ersten Kigatag hat er eine I-Kraft...bis heute (ok, in der Schule nennt man das elegant Schulbegleiter). Er wird lernzielgleich beschult. Ohne seine I-Kraft wäre er damals im Kiga von Kindern ausgelacht worden, hätte nie Freunde gefunden und heute in der Schule würde er nicht mal ansatzweise zurechtkommen.

Ich gebe dir in einem recht: Die allermeisten Kindergärten nutzen die I-Kinder tatsächlich als extra-Einkommensquelle. Das ist ein Geschäft, nichts anderes. Unser Bundesland zahlte damals für ein I-Kind rund 100.000€ in den 3 Kiga-Jahren extra - also nur für die Integration.

Ich kenne allerdings auch in meinem Bekanntenkreis 2 Schüler der Grundschule, bei denen die Eltern jegliche Förderung während der Kindergartenzeit kategorisch untersagt hatten. Nun, in der Schule klappt das dann nicht mehr. Während der Schulzeit ein Kind zu fördern ist ungleich schwieriger. Gerade wenn es sprachliche Probleme gibt, sind Kinder auch schnell am hänseln - pass also auf, dass das deinem Kind nicht passiert.

6

Danke für Deine ausführliche und aufschlussreiche Antwort, wir haben uns auch monatelang Gedanken gemacht, zwei Sonderpädagoginnen und eine Entwicklungspsychologin aus dem Bekanntenkreis zu Rate gezogen.

Wir sind jetzt seit einem Monat in einem neuen Kinderladen, da unser Sohn in der alten Kita offenbar schon lange Zeit gehänselt und ausgegrenzt worden ist. Ob da eine Erzieherin je eingegriffen hat, wissen wir nicht. Zumindest ist er auch von seiner Bezugserzieherin nicht gut behandelt worden, z.B. von der Weihnachtsbastelei ausgeschlossen worden und nur widerwillig mit in die Bibliothek genommen worden. Es war ohnehin an der Zeit, die Kita zu wechseln, da gab der schludrige, ausschließlich defizitäre Entwicklungsbericht dann nur den letzten Anstoß.

Nach dem, nun endlich geglücktem Kitawechsel wird sowohl von der Logopädin als auch von der neuen Kitaleiterin - einschließlich Erziehern - kein erhöhter Förderbedarf gesehen. Das kann sich doch nicht so plötzlich geändert haben, auch wenn Kinder manchmal Entwicklungssprünge machen.

Wir verschließen uns nicht sinnvollen Förderungen, aber in unserem Fall war das eindeutig ein geschickt konstruierter I-Status, um die Kita finanziell besser auszustatten und um personelle Engpässe auszugleichen. Schließlich benötigte die frisch ausgebildete Integrationserzieherin auch ein Integrationskind zum "Üben". Um ein Kind integrieren zu können, muss es ja erst mal ausgegrenzt sein, sonst bekommt man so einen Antrag ja auch nicht durch. Die alte Kita hat inzwischen den freigewordenen Platz unseres Sohnes mit einem Flüchtlingsmädchen besetzt. Es ist unfassbar, dass gerade bei Integrationserziehern nicht auf die Sprachbeherrschung geschaut wird. In unserem Fall ging es leider nur um das Heranzüchten eines Integrationskindes und unser Sohn hat sich aufgrund seiner Sprachverzögerung und abklärenden Ergo (10h) einfach dafür angeboten. Wir sind ein Jahr zu Therapeuten gegangen, die abklärende Ergo, die dann noch 2x verlängert wurde, hat auch nur so allgemeine Sachen festgestellt, die andere 5-Jährige auch noch üben müssen, z.B. Konzentration verbessern, mehr Oberbegriffe bilden. Wir sind sehr optimistisch, dass unser Kind in der neuen Kita - die einfach mehr Angebote hat, besser zertifiziert ist und mit einem eingespielten Team arbeitet - bis zum Schuleintritt noch viel lernen wird und folgen der Empfehlung des behandelnden Kinder-HNO, unser Kind erst mit 7 Jahren einzuschulen.

Nochmals vielen Dank für Deine hilfreiche Antwort und alles Gute für Deine Kinder.